„Wir halten es für zwingend notwendig, eine gesellschaftspolitische Debatte anzuregen, denn hier geht es um weit mehr als um Kosteneinsparungen unter dem Vorwand von Gesundheitsvorsorge!“, betont Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbandes Baden-Württemberg.
Die Entscheidung der Schiedsstelle im Streit zwischen dem Hebammenverband und dem GKV-Spitzenverband (wir berichteten) ist aus Sicht des Hebammenverbandes Baden-Württemberg ein juristischer Skandal.
Durch die neuen Beschlüsse zwingt der GKV die schwangeren Frauen zum Arzt zu gehen, wenn ihr Geburtstermin nur drei Tage überschritten ist und sie dennoch zu Hause entbinden möchten. Die Kosten für eine Geburt im häuslichen Umfeld werden sonst nicht von der Kasse getragen.
„Eine vollkommen gesunde Frau zwingt man zum Arztbesuch. Das ist untragbar! Frauen werden hier in ihrem Recht beschnitten, eine eigene Entscheidung über sich und ihr Ungeborenes zu treffen. Dazu ist sie nach ausführlicher Beratung durch die dafür ausgebildete Hebamme und in Zusammenarbeit mit ihr durchaus in der Lage – und es ist nun mal ihr Recht! Zudem setzen die geplanten verbindlichen Ausschlusskriterien für Geburten im häuslichen Umfeld die durch § 24 f des SGB V gesetzlich zugesicherte freie Wahl des Geburtsortes außer Kraft. Dabei ist der Nutzen dieser Ausschlusskriterien nicht einmal wissenschaftlich bewiesen, das gute Outcome für Mutter und Kind jedoch schon“, so Jutta Eichenauer. „Ungeachtet dieses Rechtsbruchs bedeuten die Ausschlusskriterien für Geburten im häuslichen Umfeld einen massiven Eingriff in das Berufsrecht von uns Hebammen. Uns wird abgesprochen, eigenständig beurteilen zu können, wann eine Schwangerschaft nicht mehr regelgerecht verläuft. Aber genau dafür sind wir ausgebildet! Und nicht zu vergessen: hier geht es um die Existenz freiberuflicher Hebammen, also nicht nur um Einzelschicksale sondern um den ganzen Berufszweig.“ Über die ersten Auswirkungen auch schon vor Inkrafttreten des Schiedsspruchs mussten wir bereits berichten.
Der Deutsche Hebammenverband (DHV) hat nun Klage gegen Schiedsspruch eingereicht.
Auch Ärzte kritisieren den Schiedsspruch. Den offenen Ärztebrief haben wir auf unserer Website veröffentlicht.
Pressemitteilung des DHV zur Klage gegen den Schiedsspruch
Hebammen sehen Frauenrechte beschnitten (Marbacher Zeitung, 26.11.2015)