Mal eben schnell auf digital umstellen? Das geht nicht, schon gar nicht in einem Beruf wie dem der Hebammen. Das ist mit mehr als nur dem doppelten Zeit- und Kostenaufwand verbunden.
„Wir sind kein Kabinett, das relativ einfach seine Diskussionsrunden über Videokonferenz abhalten kann. Es geht bei uns nicht nur um Meinungsaustausch, sondern schwerpunktmäßig um Körperarbeit. Hier muss man korrigieren können, manchmal nur in Nuancen – möglichst real oder zumindest in gut präsentierter Facetime, sonst läuft man Gefahr, dass man, zumindest was die Rückbildungsgymnastik angeht, mehr kaputt machen kann, als gut,“, so Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg.
Das digitale Know-how für angemessene Präsentationsformate kann man sich nicht eben mal schnell neben einem zeitintensiven Beruf aneignen, dessen schmaler Lohn es zudem auch kaum erlaubt, sich Hilfe dafür einzukaufen. Zudem gibt es ein unüberschaubares Angebot von Hard- und Software, dessen technische Qualität wie seine DSGVO-Voraussetzungen nur mit Mühe oder professioneller Unterstützung durch IT-Techniker und Rechtsanwälte überprüfbar ist. Viele Hilfsangebote erhalten die Hebammen durch den Deutschen Hebammenverband und seine jeweiligen Landesverbände. Aber die Hauptarbeit und die Verantwortung müssen sie selbst schultern.

Der Hebammenverband Baden-Württemberg kann aufgrund der Rückmeldungen bei seinen freiberuflichen Mitgliedern vier unterschiedliche Haltungen gegenüber den Bedingungen unter Coronaverordnung feststellen. Es gibt

  1. Hebammen, die sehr gut damit zurechtkommen, wobei man sie nicht nur, wie man vermuten könnte, unter den Digital Natives findet. Mit enormem Aufwand haben sie einzelne Arbeitsbereiche auf Digital umgestellt;
  2. Hebammen, die zunächst forsch an die Digitalisierung rangegangen sind und nun wieder zurückfahren, weil sie nach ihren eigenen Ansprüchen nicht die erforderliche Qualität bieten können;
  3. Hebammen, die virtuelle Lösungen strikt ablehnen, weil das ihrem Beruf mit seinem geradezu intimen Vertrauensverhältnis widerspricht;
  4. Hebammen, die bereit wären, das virtuelle Angebot zu professionalisieren, wenn klar wäre, dass es langfristig so weiter ginge. Wer aber nur noch wenige Berufsjahre hat, kann mit dem relativ geringen Einkommen dergleichen Investitionen nicht mehr kompensieren. Dafür braucht man ein noch langes Erwerbsleben.

Alle Haltungen sind respektabel, denn nur mit einer wirklich guten Ausstattung und vor allem mit stabilen Internetverbindungen können Hebammen Alternativen zu einzelnen Bereichen ihrer Tätigkeit finden – nach einem zeitintensiven Lernpensum. Und nicht jede Hebamme ist ein Medientalent. Gleiches gilt auch für ihre Klientinnen: nicht jede ist in der Lage, digitale Angebote wahrnehmen zu können.

Beitragsbild: CoWomen