„An allen Stellen wird gespart, aber Selektion wird bezahlt. Das ist ein ungeheuerliches Signal, nicht nur mit Blick auf unsere Vergangenheit in Deutschland – darüber muss man sich im Klaren sein“, so Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbandes Baden-Württemberg. Ihre Empörung richtet sich gegen die Aufnahme des Bluttests NIPT auf die Trisomien 13, 18 und 21 in die Regelleistung der Gesetzlichen Krankenkassen. „Wir als Landesverband schließen uns mit Nachdruck der Aufforderung gegen die Aufnahme weiterer selektiver Untersuchungen in die Regelversorgung an“, die u. a. GeN – Gen-ethisches Netzwerk e.V., Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik, Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. sowie die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft u. v. m. am 14.2.2017 veröffentlicht haben.
Keine Verbesserung der medizinischen Versorgung
Der Test stellt keine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Schwangeren oder des werdenden Kindes dar. „Aus den Ergebnissen der Tests ergeben sich keine Therapiemöglichkeiten, sie stellen lediglich die – eigentlich bereits getroffene – Entscheidung für das werdende Kind in Frage. Die pränatale Suche nach genetischen Merkmalen ist eben keine Schwangerenvorsorgeuntersuchung, sondern eine selektive Fahndung nach unerwünschten Abweichungen“, heben die Unterzeichner hervor.
Pharma-Interessen
„In welchen Konflikt werden Eltern geworfen, wenn sie einen positiven Trisomietest erhalten? Was dann?“, fragt Jutta Eichenauer. Der Test sei zwar ein Ergebnis unserer Zeit, sie sehe ihn aber nicht als Errungenschaft des 21. Jahrhunderts an. Vielmehr lege er wieder einmal marktstrategische Hintergründe „oder vielmehr Abgründe“ offen. Eichenauer verweist auf die Zusammenhänge, die Prof. Dr. Marion Baldus kritisch zur Sprache bringt: In ihrem Vortrag* „Steuerungsmacht oder Entscheidungszwang – Frauen in Konfliktsituationen bei Pränataldiagnostik“ zeigt die Professorin die Marketingstrategie der Pharmaindustrie anhand dieses Pränatal-Tests beeindruckend und zugleich beängstigend auf.
Gefährliche Werbestrategie
Die Werbestrategie der Kassen zu diesem Thema sieht Jutta Eichenauer als gefährlich an. „Hier wird wieder einmal mit der Angst der Menschen Geschäft gemacht. Aber der Test kann die Angst nicht nehmen, im Gegenteil, er schafft neue Ängste und Gewissenskonflikte, deren Ausmaß kaum absehbar ist. Das wird unsere Gesellschaft, unser menschliches Miteinander, grundlegend ändern“, prognostiziert Eichenauer.
Keine Aufnahme weiterer selektiver Untersuchungen in die Regelversorgung! (gemeinsame Pressemitteilung verschiedener Verbände, Institutionen und Gesellschaften, 14.02.2017)
* Vortrag von Prof. Dr. Marion Baldus auf dem Interprofessionellen Fachtag „Schwanger-schaf(f)t Fragen. Entscheidungskonflikte in der Pränataldiagnostik“ der Informations- und Vernetzungsstellen Pränataldiagnostik Baden-Württemberg (www.pnd-beratung.de) am 22.7.2016 in Stuttgart.