Radofine ist das geglückte Beispiel für einen modernen Weg der Hebammenbegleitung. Die Radolfzeller Hebammen Mela Pinter und Oktavia Kamra haben die heutigen Vorstellungen und Bedürfnisse von Schwangeren und Hebammen analysiert und sie mit dem weitsichtigen Konzept ihres Hebammengeleiteten Lokalen Gesundheitszentrums umgesetzt.

Radofine versteht sich als erste Anlaufstelle für Hebammenhilfe im Landkreis Konstanz. Zentrale Aufgabe ist die Koordination von Hebammenleistungen. „Zunächst aktivieren wir unser Netzwerk von über 50 Hebammen im Kreis und prüfen, ob nicht noch bei der ein oder anderen Kollegin ein Zeitfenster offen ist, auch wenn diese keine weiteren Frauen für eine vollständige Begleitung mehr aufnehmen können. Wenn sich nichts finden lässt, kümmern wir uns im Zentrum selbst um die Schwangeren. Migrationsfamilien und Frauen in besonderen Lebenslagen haben wir dabei besonders im Blick, auch in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Beratungsstellen,“ so Mela Pinter. Der niederschwellige Zugang zur Primärversorgung durch Hebammen soll gewährleistet sein. Dabei rücken sie bewusst vom alten Standard ab. Das kommt an. So gibt es Online-Sprechstunden oder auch Wochenbett-Ambulanzen im Zentrum. Das Angebot wird Schritt für Schritt erweitert, so wie es die Rahmenbedingungen zulassen.

„Wir haben es bei den schwangeren Frauen und auch bei den Hebammen, die jetzt in den Beruf einsteigen, mit einer jungen Generation mit anderen Lebensperspektiven zu tun, als wir sie aktuell in der Hebammenversorgung vorfinden. Dem tragen wir Rechnung“, erklärt Mela Pinter. Von ihrem lebendigen Zentrum versprechen sich die Gründerinnen eine gute Außenwirkung, die Schwangere erreicht und auch viele Kolleginnen anzieht.

Work-Life-Balance
Junge Hebammen wollen heute Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut bringen. Was wäre da geeigneter als Jobsharing? Und das bietet Radofine. Die freiberuflichen Hebammen bringen sich mit ihrer Leistung ein und profitieren so von einer koordinierten Planung, einem gemeinsamen Qualitätsmanagement, familienfreundlichen Arbeitszeiten, planbarem Urlaub und vielen Vorteilen mehr – nicht zuletzt auch vom beruflichen und zwischenmenschlichen Austausch im Team. Das dient den Schwangeren: Sie kommen nicht nur leichter an Hebammenhilfe, sie finden auch ein eingespieltes Team vor, das sich die Versorgung der Frauen teilt.

Förderprojekt
Der Förderaufruf des Landes Baden-Württemberg für die Lokalen Gesundheitszentren mit Schwerpunkt geburtshilflicher Versorgung (wir berichteten mehrfach), war der Auslöser für diese Erfolgsgeschichte. Da der Versorgungsnotstand im Kreis drängend war, erhielten die Hebammen für ihr Pilotprojekt viel Unterstützung von der Stadt Radolfzell und dem Landkreis Konstanz. Sie haben ihr Konzept mit dem Spitalfond der Stadt Radolfzell als Träger eingereicht und den Antrag auf Fördergeld gestellt. Das Projekt wurde ausgewählt, die Schirmherrschaft hat Staatssekretärin Bärbel Mielich übernommen.

Geburtshilfliche Einheit geplant
Die Anschlussförderung, für die sich die Hebammen beworben hatten, um Radofine auch zu einem Anlaufort für die Geburt auszubauen, wurde jüngst ebenfalls genehmigt. „Wir wollen die geburtshilfliche Einheit in Radolfzell wieder öffnen, die 2017 aus Gründen der Zentralisierung geschlossen wurde – gegen den Willen aller politischen Gremien. Jetzt fahren die Frauen zum Kinderkriegen rund um den Bodensee, überall hin, bis in die Schweiz. Das ist kein Zustand. Wir wollen die Geburtshilfe wieder nach Radolfzell holen, damit die Frauen wieder eine echte Wahlmöglichkeit haben“, so Mela Pinter.