Auch in Radolfzell steht ein Kreissaal vor der drohenden Schließung, teilt uns Oktavia Kamra, Hebamme aus Radolfzell, mit. Der Versicherungsbeitrag für die drei Belegärzte der Klinik wurde verdreifacht und kann nicht mehr erwirtschaftet werden. Ein neuer Versicherungspartner wird gesucht.

Die geburtshilfliche Station sei im Landkreis sehr beliebt wegen ihrer sehr frauen- und familienfreundlichen Arbeitsweise. Auch betreuten dort einige Beleghebammen aus dem Kreis Konstanz ihre Frauen zur Geburt, berichtet die engagierte Kollegin, und weiter:

„Die Geburtenrate ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. 2015 waren es etwas mehr als 500 Geburten. Die Abteilung wird von einem festangestellten Hebammenteam versorgt und wird ärztlich geleitet von drei engagierten Belegärzten.

Im Juni ist eine Ärztin aus dem Team ausgeschieden. Mit viel Glück hat sich endlich eine Nachfolgerin gefunden. Es gibt kaum mehr Gynäkologen die willens sind, unter den derzeit schwierigen Bedingungen freiberuflich Geburtshilfe zu leisten.
Als die Nachfolgerin ihre Versicherungspolice beantragt hat, kam völlig unerwartet eine drastische Versicherungserhöhung auf das Dreierteam zu. Die Versicherungssumme belief sich bisher auf rund 45.000 €/Jahr für alle drei Belegärzte zusammen. Jetzt erwartet die Versicherung eine Summe von rund 150.000 €/Jahr, was nicht zu erwirtschaften ist.

Der Klinikverband konnte einen Aufschub bis Dezember 2016 bei der Versicherung erwirken, damit nicht innerhalb von vier Wochen eine Schließung vorgenommen werden musste. Dies wäre personalpolitisch untragbar gewesen.
Der Klinikverband lässt derzeit juristisch prüfen ob eine Beteiligung an den Versicherungskosten möglich ist.
Im Falle einer tatsächlichen Schließung erwägt er, das Kreißsaal- und Wochenbettteam dann auf die verbleibenden zwei Kliniken im Kreis Konstanz zu verteilen, also nach Singen und Konstanz.

Der Singener Kreissaal ist seit Jahren hoffnungslos überfüllt und das Hebammenteam maximal überlastet. Für ca. 1100 Geburten stehen drei Kreissäle zur Verfügung. Die Frauen veratmen ihre Kontraktionen hinter Paravents auf dem Gang. Die Hebammen sind seit langem stark unterbesetzt und daher extrem gestresst. Dementsprechend ist das geburtshilfliche Ergebnis oft traurig.
Auch die Wochenstation in Singen ist dauerhaft über belegt. Das Wochenbett-Team kann dem tatsächlichen Pflege- und Beratungsbedarf, vor allem in Bezug auf den frühen Stillbeginn, nicht nachkommen. Eine schwerwiegende Folge dieser Situation ist beispielsweise, dass das Zufüttern von Muttermilchersatzprodukten nicht mehr nur die Ausnahme, sondern eher zur Regel geworden ist. Das kann auch nicht durch die Präsenz der stationären Kinderärzte aufgefangen werden.

Für die Frauen im weitläufigen Landkreis Konstanz ist der Kreißsaalstandort in Radolfzell zentral gelegen und somit gut und rasch zu erreichen. Auch das ist ein wichtiger Punkt für die Erhaltung des Kreißsaales in Radolfzell“, betont Oktavia Kamra abschließend, der wir für ihren umfassenden Bericht herzlich danken.