Die jüngst erschienene Bertelsmann-Studie „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung“ bekommt viel Gegenwind. Das Fazit der Autoren, dass eine Reduzierung der Klinikanzahl zu einer besseren medizinischen Versorgung der Patienten in Deutschland führen würde, wird von vielen angezweifelt und auch von Fachleuten und Klinikbetreibern widersprochen.

Auch der Deutsche Hebammenverband hat Stellung dazu bezogen und den Abbau von Kliniken kritisiert, da er weitere Schließungen von Kreißsälen bedeutet. Zwar stehe sie hinter der Verbesserung der Notfallversorgung, aber nicht auf Kosten der Frauen, betont Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes: „Ein weiterer Abbau von Kreißsälen ist den Schwangeren und Familien nicht zuzumuten.“

Engpässe alternativ angehen
Leider haben Hebammen trotz hervorragender Verbandsarbeit eine zu geringe Lobby, um gegen dergleichen Empfehlungen etwas ausrichten zu können. „Es ist auch in dieser Studie – wie eigentlich immer – der Focus auf Wirtschaftlichkeit gelegt. In diesem Fall finde ich das umso verwerflicher, als es unter dem Deckmäntelchen der Patientensicherheit gemacht wird. Ich persönlich finde das besonders schändlich“, kritisiert Jutta Eichenauer, „aber als Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg muss bei so einer ausweglosen Sache natürlich auf mögliche Alternativen blicken.“ Die Hebamme verweist daher auf die Möglichkeit der Hausgeburt und auf die Geburtshäuser.
In Baden-Württemberg haben wir eine zwar kleine, aber ausgezeichnete Geburtshaus-Kultur. Die Adressen der aktuellen Geburtshäuser haben wir für Eltern auf unserer Website veröffentlicht und die Liste wird regelmäßig aktualisiert. Derzeit sind auch weitere Häuser im Süden geplant, der Bedarf zeichnet sich ab. Auch darüber informieren wir auf unserer Website. Hebammen, die Hausgeburten begleiten, sind auf unserer Website der Hebammen-Suche für Baden-Württemberg gelistet.*

Eine Chance für die physiologische Geburt
Geburtshäuser können zur Kompensation der entstehenden Engpässe durch Klinik- bzw. Kreißsaalschließungen beitragen; und die Hausgeburt ist vor allem im ländlichen Raum eine Alternative, da hier der Weg zur nächsten Geburtsstation ohnehin zu weit ist. Baden-Württemberg hat unter allen Bundesländern den höchsten Anteil an Hausgeburten. „Risikoschwangerschaften gehören zur Entbindung natürlich in die Klinik, aber die zeichnet sich in der Regel vorher ab, so dass man rechtzeitig die passende Betreuung für die Entbindung in die Wege leiten kann“, betont Eichenauer. „Schwangerschaft und Geburt sind keine Krankheit. An den Zahlen der WHO orientiert, können etwa 85 Prozent aller Geburten physiologisch ablaufen – also durchaus als Hausgeburt oder im Geburtshaus. Übrigens werden Geburtshäuser nur mit guter Erreichbarkeit von Kliniken genehmigt, um im Notfall eine Verlegung in eine Klinik mit Neugeborenen-Intensivstation und zu gewährleisten“, beruhigt die Hebamme. Dieses Restrisiko besteht auch für Geburten in Kliniken, die nicht über dergleichen Ausstattung verfügen. „Man kann zwar die Unfallstatistik im Straßenverkehr, die tödliche Gefahr des Rauchens oder das Strahlungsrisiko von Smartphones in Zahlen, aber nicht prozentual ausdrücken, sie sind daher nicht evidenzbasiert vergleichbar. Aber nach meiner Einschätzung nehmen Autofahrer, Raucher und Smartphone-Nutzer ein Risiko in dieser Größenordnung täglich billigend in Kauf“, hebt Jutta Eichenauer die Sorglosigkeit hervor, die in anderen Bereichen des Alltags kritiklos vorherrscht.

Geplante Gesundheitszentren
Eine weitere Alternative zur Klinikgeburt können zukünftig die geplanten lokalen Gesundheitszentren sein. Der vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg ins Leben gerufene Runde Tisch Geburtshilfe sammelt derzeit Konzepte für die Implementierung der Gesundheitszentren an ausgewählten Orten (wir berichteten). Nach der Testphase sollen sie auch auf andere Regionen Baden-Württembergs übertragbar sein, um einen nachhaltigen Beitrag für die Geburtshilfe im Land zu leisten. Der Schwerpunkt liegt auf der Versorgung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen und die Möglichkeit für Geburtshilfe ist vorgesehen.

* Pfad: geben Sie Ihre PLZ ein, die Liste der Hebammen in Ihrer Gegend öffnet sich; klicken Sie auf “Liste filtern” (= oberhalb der Liste), im Pulldown, das sich öffnet, wählen Sie “Geburtshilfe” und hier “Hausgeburt”.