Die Präsentation der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft „Familie – Vertrauen – Zukunft“ auf dem Ärztekongress/Medizin-Messe in Stuttgart (wir kündigten an) bot eine gute Voraussetzung für interaktive Gespräche zwischen Podium und Auditorium.
Moderiert von Dr. med. Ulrich Clever präsentierten Dr. med. Gabriela Stammer, Dr. med. Hauke Schütt, Dr. med. Andreas Oberle und Dr. med. Roland Fressle unterschiedliche Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag. Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg, ergänzte diesen Ansatz noch um einen kleinen historischen Abriss zum Wandel der medizinischen Einschätzung und gesellschaftlichen Einbindung und von Geburt sowie den Beruf der Hebammen, der analog dazu eine Veränderung im Stellenwert erfahren hat.

Den Blick auf den gesunden Vorgang schärfen
Dabei scheute sich die Hebamme nicht, den Finger in die Wunde zu legen und das Übermaß an Technik und Medizin während Schwangerschaft, Geburt und Erstem Lebensjahr kritisch zu hinterfragen: „Natürlich sind wir alle froh um moderne medizinische Nothilfe! Doch sollten wir mehr Salutogenese pflegen – also das Stammgebiet der Hebammen – und Pathogenese eben nur dann, wenn sie wirklich erforderlich ist“, so das leidenschaftliche Plädoyer der Hebamme für den Weg zurück zur natürlichen Geburt.

Den Weg aus der Angst finden
Die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zur Senkung der Frühgeborenen- und Sektiorate ist zwar das Thema der Arbeitsgemeinschaft, aber schnell hat sich herausgestellt, dass es hier einen Ursachen-Wirkungs-Teufelskreis gibt: Angst. „Wir haben festgestellt, dass wir alle viel zu viel Angst haben“, so Jutta Eichenauer. Aus dieser Erkenntnis heraus konstatierte Dr. Gabriela Stammer, niedergelassene Frauenärztin, dass alle Beteiligten rund um die Geburt einen Weg aus der Angst heraus finden müssten.

Weitere Präsentation von Ergebnissen geplant
„Von Seiten der Hebammen ist diese neue Arbeitsgemeinschaft ein weiterer Schritt in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen allen Gruppen, die mit Geburt zu tun haben“, freut sich Jutta Eichenauer. Die Arbeitsgemeinschaft werde weiter gepflegt, die nächsten Treffen stünden bereits fest. Auf dem nächsten Ärztekongress/Medizin-Messe werde es sicher wieder einen gemeinsamen Auftritt geben, auf dem dann die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit präsentiert werden können, so erhofft es sich Jutta Eichenauer. „Wir waren und sind hoch motiviert – und wenn sich die Präsentation als eine eigene Veranstaltung erst einmal in den Köpfen etabliert hat, werden wir sicher auch viel Input durch ein aktives Auditorium bekommen können.“

Übermaß an Bürokratie
Bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten auch mit Blick auf ihre strengen Terminkalender Zeit finden, die Treffen und die damit verbundene zusätzliche Arbeitsbelastung stemmen zu können. Denn wie Dr. Roland Fressle beim Podiumsgespräch so treffend zusammengefasst hat, bräuchten sie alle den Patienten überhaupt nicht mehr, denn alle könnten sich den ganzen Tag mit der zunehmenden Bürokratie, mit Richtlinien, Qualitätsmanagement, Hygienevorschriften beschäftigen. Das sorgte zwar kurzfristig für entspanntes Lachen – aber es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitsgemeinschaft und ihre Ziele trotz davon nicht gesprengt werden.

Auf dem Podium: Dr. Fressle, Dr. Oberle, Dr. Stammer, Dr. Schütt, J. Eichenauer (von links nach rechts)

Auf dem Podium: Dr. Fressle, Dr. Oberle, Dr. Stammer, Dr. Schütt, J. Eichenauer (von links nach rechts)