Die beruflichen Rahmenbedingungen für Hebammen in Deutschland haben sich mittlerweile so verschlechtert, dass mehr und mehr Hebammen ins angrenzende Ausland abwandern.

Viele sind einfach am Ende und frustriert darüber, wie tief der neue Rahmenvertrag mit den Gesetzlichen Krankenversicherungen (wir berichteten mehrfach) in ihre Berufsausübung eingreift und ihre Fachkompetenz in Frage stellt. Honoriert wird sie schon lange nicht mehr.

Das beklagt auch Angelika Behrens: „Als freiberufliche Hebamme ist man sieben Tage die Woche rund um die Uhr in Bereitschaft. Ich habe das wirklich sehr gerne getan und es mir bisher nicht anders vorstellen können. Doch jetzt muss ich jeden Tag gegen Unwahrheiten, betriebswirtschaftliche Entscheidungen von Praxen und Kliniken ankämpfen, die unnötige und schmerzhafte Behandlungen von Mutter und Kind zur Folge haben. Mehr denn je muss ich die Frauen in ihrer Fähigkeit zur Mutterschaft bestärken, weil sie so verunsichert sind.“

Bisher habe sich ihre Arbeitszufriedenheit und das, was sie und ihre Familie dafür geben mussten, die Waage gehalten. Nach dem neuen Rahmenvertrag sei das derart in Schieflage geraten, dass sie die Konsequenzen ziehe: „Ein unkalkulierbarer Einkommensrückgang von bis zu fünfzig Prozent bei noch mehr Arbeit – das hat keine Zukunft.“ Sie schließt Ende April ihre Praxis und wird ab Sommer in einem Geburtshaus in der Schweiz arbeiten. „Es geht einfach nicht mehr anders“, bedauert die Nürtinger Hebamme, die zugleich zweite Vorsitzende im Hebammenkreisverband Esslingen ist. Das alles muss sie dann natürlich auch aufgeben.

Sie werde in Nürtingen wohnen bleiben, denn eigentlich wolle sie nicht weg und das Pendeln bis zum Rentenalter durchziehen, aber derzeit sehe sie keine Alternative. Besser wäre natürlich, wenn sich all die berufspolitischen Anstrengungen mal lohnen würden. Sie habe Leserbriefe geschrieben, Artikel der Presse angeboten, aufgeklärt, wo sie nur konnte: „hat keinen interessiert“, so das frustrierende Fazit von Angelika Behrens. Wenn sich in Deutschland doch endlich etwas täte. In der Schweiz sei das Gesundheitssystem doch auch finanzierbar, ohne Knebelverträge und ohne Entmündigung!

„Seit zehn Jahren mache ich Hausgeburten. Alleine im letzten Jahr waren es fünfzig! Und es wären mehr gewesen“, so die engagierte Hebamme. Die Krankenkassen zwingen jetzt selbst gesunde Frauen, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Gesetzlich verankerte Wahlmöglichkeit sieht anders aus. „Diese Zwangsuntersuchung hat drei meiner Frauen so verunsichert, dass sie kurzfristig die Hausgeburt absagten. Die Geburt in der Klinik verlief problemlos und sie waren tief enttäuscht über diesen grundlosen Schritt.“

Die Hälfte aller Frauen ist von den neuen Regelungen zur Hausgeburt betroffen, die Krankenkassen übernehmen bei ihnen keine Kosten. Wenn die Hebamme sie dennoch bei der (privat bezahlten) Hausgeburt begleitet, begibt sie sich haftpflichtrechtlich auf sehr dünnes Eis. Das schafft eine große Unsicherheit bei Paaren und Hebammen.

Eine der Frauen von Angelika Behrens, die sich unter diesem Druck für die Klinikgeburt entschieden hat, war drei Tage über dem errechneten Geburtstermin. Das ist der Grenztermin, ab dem der neue Rahmenvertrag die Klinikgeburt vorschreibt. Auch bei ihr gab es keinerlei Probleme – was auch den jahrtausendealten Erfahrungen der Hebammen entspricht. Dieses Wissen wird ignoriert, die Terminfixierung scheint rein betriebswirtschaftlich motiviert.

Der jahrelang erfolglose Kampf um ihre berufliche Anerkennung macht die Hebammen mürbe. Also wenden viele jetzt Deutschland den Rücken zu. Das geht natürlich auch zu Lasten der flächendeckenden Versorgung, die in weiten Teilen Deutschlands längst mehr als nur lückenhaft ist.

Die Esslinger Zeitung widmete am 17. März 2016 dem Thema “Lücken in der Versorgung mit Hebammen” eine ganze Seite. Die Problematik der Abwanderung (am Beispiel von Angelika Behrens) ist eines der Themen, die dabei zur Sprache kommen.