Morgen entscheidet der Bundesrat über die Reform der Hebammenausbildung. Als letzter Mitgliedstaat setzt Deutschland damit die EU-Richtlinie um. In allen anderen Ländern der Europäischen Union werden Hebammen bereits an Hochschulen ausgebildet. Wir fürchten, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen möchte. Ist die kontrovers diskutierte Höhe der Kosten der Grund dafür?

„Ausgerechnet Deutschland, eine Wohlstandsnation, die zudem eine Führungsstellung in der Europäischen Union beansprucht, ist Schlusslicht bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie – und das mit Kosten-Argumenten?“ Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg fehlt jedes Verständnis für eine weitere Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren. „Seit 2013 war klar, dass Deutschland bis 2020 die Vollakademisierung der Hebammenausbildung umsetzen muss. Es dürfte also keine Überraschung für die Länder gewesen sein, sie sind für die Hochschulausbildung zuständig“, wundert sich die Landesvorsitzende. Vorschläge zur Finanzierung hätten bereits im Vorfeld gemacht werden können, eine Kostendebatte hält sie für völlig verspätet und verfehlt: „Die Länder sind durch die Übernahme der praktischen Ausbildungsanteile durch den Krankenhausfinanzierungsfonds ohnehin finanziell schon sehr entlastet. Das und wie dies geschehen soll ist bereits im Entwurf des HebRefG auf den Seiten 80 und 81 festgehalten.“

Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, es gäbe nicht genügend Professorinnen für die Studiengangsleitung, sei nicht haltbar, so Eichenauer. Fast alle Stellen sind mittlerweile mit Hebammenprofessorinnen besetzt und derzeit befinden sich noch 30 weitere Hebammen in Promotion.

„Seit Monaten werden die Frauen, die Hebamme werden wollen, in Unsicherheit gehalten, auch die Hebammenschulen, die Hochschulen, die Hebammen-Lehrerinnen und die Professorinnen. Das ist eine Zumutung“, so Eichenauer. Statt sich an diesem Schauplatz aufzuhalten, solle die Politik ihre Kräfte auf die wirklich dringenden Probleme konzentrieren und die Versorgungssituation der Frauen sowie die Arbeitssituation der Hebammen verbessern.

„Dass die Gesetzesreform durch diesen weiteren Akt gar verhindert werden soll, können wir uns eigentlich nicht vorstellen. Sicher können wir uns aber nicht sein“, so Eichenauer.

Zu einem stillen Protest gegen eine weitere Verzögerung haben sich die Bundesdelegierten des Hebammenverbands Baden-Württemberg heute am Rande ihrer vorbereitenden Sitzung zur jährlichen Bundesdelegiertentagung im Hof des Hospitalhofes Stuttgart eingefunden. Foto: HVBW

 

Letzte Chance für eine moderne Hebammenausbildung in Deutschland. Deutscher Hebammenverband fordert Zustimmung des Bundesrates (DHV-Pressemitteilung, 06.11.2019)

Konflikt um Hebammen-Gesetz. Die Ausbildung von Geburtshelferinnen soll an Universitäten verlagert werden. Jetzt stellen sich die Länder quer, weil sie nicht zahlen wollen. (taz online, 7.11.19)

Daten und Fakten:
359.824 Studierende derzeit gesamt im Wintersemester in Baden-Württemberg, davon
74.138 Erstsemester (StudienanfängerInnen).

Baden-Württemberg würde für das Hebammenstudium 250-260 Studienplätze benötigen, das sind ca. 0,3 % aller StudienanfängerInnen. Ausgelegt auf ganz Deutschland:
Wenn wir 1000 Studium-Einsteigerinnen pro Jahr hätten, stellen sie bei 511.997 Studierenden 0,19% aller Studienanfänger (dieses Wintersemester).
Bei 1500 Studienplätzen pro Jahr in Deutschland wären das gerade mal 0,29 % aller Studienanfänger. Und das verteilt auf 16 Bundesländer.

Wissenswertes:
Seit Ausbildungsbeginn 18.01.2016 besteht keine automatische europäische Anerkennung! Obwohl bereits die EG eine Vereinbarung darüber hatte.
„Im Jahr 2005 hat die EG vereinbart, dass die Angehörigen der reglementierten Berufe (Ärztinnen/Ärzte, Zahnärztinnen/Zahnärzte, Tierärztinnen/Tierärzte, Gesundheits- und Krankenpflegende, Apothekerinnen/Apotheker und Hebammen) überall in Europa ihren Beruf ausüben dürfen. Um ein vergleichbares Mindestniveau der Ausbildungen in den Mitgliedsländern zu gewährleisten, wurden in der EU-Richtlinie Mindeststandards für die Zulassung der Ausbildung, die Ausbildung und die Berufsausübung für alle genannten Berufe festgelegt („automatische Berufsanerkennung“, Richtlinie 2005/36/EG
Diese Richtlinie wurde 2013 geändert (durch die Richtlinie 2013/55/EU). Dabei wurden besonders beim Hebammenberuf die Mindeststandards angehoben. Als Begründung für diese Anhebung („Erwägung der Gründe“) wird folgendes genannt:
• „Um Hebammen darauf vorzubereiten, den komplexen Bedürfnissen bei der Gesundheitsfürsorge im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten zu genügen, sollten die Hebammenschülerinnen und -schüler über den Hintergrund einer soliden Allgemeinbildung verfügen, bevor sie mit der Hebammenausbildung beginnen.“
• „Die Hebammenausbildung sollte besser gewährleisten, dass die Berufsangehörigen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben, die für die Ausübung der Tätigkeiten einer Hebamme gemäß der Richtlinie 2005/36/EG notwendig sind.“
Quelle: Bovermann, Y. (2017). Deutscher Hebammenverband. Akademisierung. Hintergrundinformationen zur Akademisierung. (Stand 07.11.2019)

Beitragsbild-Quelle: Bundesrat