“Wenn wir eine gemeinsame Zukunftsvision haben, (…) sind wir in der Lage, Berge in Bewegung zu setzen.“ Das ist die Kernbotschaft der ICM-Präsidentin Franka Cadée, die beim digitalen Zukunftsforum Hebammenarbeit am 5. und 6. Oktober 2020 gesprochen hat.
“Liebe Hebammenkollegen*innen aus Deutschland,
es ist mir eine große Ehre meine Gedanken über die Hebammenarbeit heute mit euch zu teilen, da ihr ein so langjähriges Mitglied im Internationalen Hebammenverband seid. Ich bin mir sicher, dass wie viele Hebammen weltweit ihr die Hebammenarbeit als sehr inspirierend, aber manchmal auch als einen harten Job empfindet. Denn die Burn-Out Thematik von Hebammen ist auf globaler Ebene bekannt und beschäftigt uns alle. In eurem täglichen Arbeitsleben habt ihr sicherlich das Gefühl, dass die internationale Hebammengemeinschaft weit von euch entfernt ist. Dennoch leben wir in einer globalen Welt und die Hebammenarbeit in Deutschland beeinflusst die internationale Hebammenarbeit, genauso wie sich die internationale Hebammenarbeit auf die Arbeit der Hebammen in Deutschland auswirkt. Aktuell gibt es eine enorme globale Dynamik zugunsten der Arbeit von Hebammen, die eine präzise wissenschaftliche Evidenz über die positiven Auswirkungen der Hebammenarbeit auf Frauen, ihre Babys und Familien zu Grunde legt. Außerdem gibt es einen weltweiten Appell von Frauen, die sich die Hebammenarbeit einfordern. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir miteinander arbeiten, voneinander lernen und gemeinsam voranschreiten. Hiervon handelt mein Grußwort an Euch, nämlich wie wir gemeinsam vorankommen.
Das Hebammenwesen in Deutschland ist weltweit für seine unterschiedlichen Betreuungsmodelle bekannt, in denen Versorgungskontinuität angeboten wird oder es Frauen die freie Wahl des Geburtsortes ermöglicht, denn wir alle kennen eure unverwechselbaren, freistehenden Geburtshäuser. Einige eurer Nachbarländer schauen mit Neid und Bewunderung zu euch herüber, denn ihr habt ein neues Hebammengesetz verabschiedet und die Hebammenausbildung an die Hochschule überführt, in dem das Konzept der Praxisanleitung eine Besonderheit für Studierende darstellt. Das sind große Veränderungen und verdeutlichen sowohl eine klare Zukunftsvision als auch Führungskompetenz die der Deutsche Hebammenverband hier aufweist. Herzlichen Glückwunsch!
Jeder Mensch auf diesem Planeten wird geboren und die Hebammenarbeit als einer der ältesten Berufe der Welt spielt eine wichtige Rolle in Verbindung mit der Gesundheit für unsere nachfolgenden Generationen. Die Evidenzen zeigen deutlich, dass wenn Hebammen in einer Partnerschaft mit Frauen arbeiten sich sowohl die Versorgungsqualität als auch die Zufriedenheit von Hebammen und Frauen verbessert. Wir nennen das eine hebammengeleitete Versorgungskontinuität, bei der eine Frau von einem kleinen Team von Hebammen begleitet wird, mit dem sie eine vertrauensvolle Verbindung aufbauen kann und eine hervorragende, respektvolle Versorgung – sowohl medizinisch als auch psychologisch – erhält. In die Versorgungskontinuität von Hebammen muss auch investiert werden, nämlich durch Hebammenverbände, praktizierende Hebammen, andere Professionen, Krankenhäuser, Politiker*innen und natürlich die Frauen selbst. Um eine Hebammenphilosophie in der Versorgung umzusetzen braucht man eine überzeugende Zukunftsvision und eine einheitliche Stimme von beiden – Hebammen und Frauen. Die Investition in Hebammenarbeit bedeutet einerseits für uns eine höhere Arbeitszufriedenheit, und andererseits für die Gesellschaft die 16-fache finanzielle Rendite.
Das ist ein Grund warum der Internationale Hebammenverband weltweit seine Mitgliedsverbände unterstützt die hebammengeleitete Versorgungskontinuität zu implementieren. Jeder einzelne unserer 143 Hebammenverbände befindet sich in einer anderen Ausgangsposition: In dem einen Land ist die Hebammenforschung gut etabliert, in einem anderen gibt es die echte Wahlfreiheit für den Geburtsort, in einem dritten ist die Verbindung mit den Frauen ausgeprägt, wieder woanders gibt es eine Beauftragte für das Hebammenwesen im Gesundheitsministerium. Wenn wir eine gemeinsame Zukunftsvision haben, uns untereinander austauschen und voneinander lernen, sind wir in der Lage Berge in Bewegung zu setzen. Der Wandel wurde bereits eingeleitet und das Hebammenwesen in Deutschland hat der Welt viel anzubieten. Die Hebammenarbeit in Deutschland kann jedoch auch viel von den Erfahrungen anderer lernen.
Es ist eine aufregende Zeit, COVID-19 hat gerade die Notwendigkeit für Hebammen in der Gesellschaft hervorgehoben. Der Deutsche Hebammenverband hat eine klare Vision für die Zukunft, in dieser Vision wird eine frauenzentrierte, ganzheitliche Begleitung jeder Frau zu jederzeit angeboten. Hebammen sind ein wesentlicher Bestandteil in diesem Prozess und müssen ihren Platz neben der Frau in der Gesellschaft einnehmen. Das ist die Zeit in der wir als Hebammen zusammenhalten müssen, so dass wir gemeinsam mit den Frauen die Hebammenarbeit für einen übergeordneten Plan vorantreiben, zum Wohle aller für gesunde Folgegenerationen! Das Zukunftsforum Hebammenarbeit ist ein großer und wichtiger Schritt in diese Richtung!
Wenn wir alle hart arbeiten, können sich Veränderungen beängstigend anfühlen. Doch der Zusammenschluss für eine gemeinsame Vision belebt uns alle. Daher unterstützt euch gegenseitig und macht es möglich. Denn das Hebammenwesen in Deutschland ist bereits einen langen Weg in die richtige Richtung gegangen – zu einer frauenzentrierten Versorgungskontinuität durch Hebammen. Wir freuen uns darauf euch auf diesem Weg zu begleiten, wenn ihr den nächsten Schritt in Angriff nehmt.”
Video und Übersetzung wurden auf der DHV-Website am 26.10.2020 veröffentlicht.