Berlin, 4.3.2015: Eltern schicken Protest-Briefe an die gesetzlichen Krankenkassen. Sie fordern ihr Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes ein. Der Deutsche Hebammenverband e. V. reagiert darauf mit einem Brief an den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV).

Katharina Jeschke, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbandes e.V., führt die Verhandlungen mit dem GKV-SV. Ein Interview mit Katharina Jeschke zu den Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen finden Sie auf der Website des DHV.

Hier die Mitteilung des DHV zum aktuellen Stand:

Hebammenverband fordert von GKV-Spitzenverband: Vollumfängliche Anerkennung derselben Kriterien für die Hausgeburt wie für die Geburt im Geburtshaus

Seit über einer Woche schreiben zahlreiche Eltern die gesetzlichen Krankenkassen an, um für das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes zu protestieren. Der GKV-Spitzenverband will in den aktuellen Verhandlungen mit den Hebammenverbänden Ausschlusskriterien für die Hausgeburt einführen und den Willen der Frau dabei nicht mehr berücksichtigen. Der Hebammenverband hat an dieser Stelle die Verhandlungen unterbrochen. Denn keine Hebamme kann zustimmen, wenn Frauen nicht mehr in ihrer Selbstbestimmung rund um Schwangerschaft und Geburt unterstützt werden. Ebenso kann keine Hebamme zustimmen, wenn das Recht auf Aufklärung und Beratung zur Geburt nicht ausreichend gewährleistet werden soll. Und insbesondere, dass die freie Wahl des Geburtsortes mit dem aktuell strittigen Vertragswerk ausgehebelt werden soll, kann keine Hebamme unterschreiben.

Mit der Kampagne #meineGeburtmeineEntscheidung macht der Hebammenverband auf diesen Missstand aufmerksam. Dank der vielen Protestbeiträge von Eltern und anderen Unterstützerinnen und Unterstützern ist es gelungen, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Die angeschriebenen Krankenkassen haben in den vergangenen Tagen auf ihren Facebookseiten erste Erklärungen abgegeben. Diese erklären jedoch nicht, warum das bewährte System der selbstbestimmten Entscheidung von Frauen über den Ort, an dem sie ihr Kind zur Welt bringen wollen, abgeschafft werden soll.

Wir fordern den GKV-Spitzenverband auf, das gleiche Verfahren bei den Ausschlusskriterien für die Hausgeburt anzuwenden wie bereits für die Geburtshäuser. Dies bezieht explizit den Willen der Frauen mit ein.

Von den gesetzlichen Krankenkassen fordern wir weiterhin, uns und ihren Mitgliedern zu erklären, warum sie die Selbstbestimmung von Frauen einschränken wollen und ein bisher bewährtes System abschaffen wollen. Die Krankenkassen sollen außerdem erklären, warum Hebammen plötzlich nicht mehr die Fachkompetenz haben sollen, die Frauen so zu beraten, dass sie eine kompetente und informierte Entscheidung treffen können.

 

Wille der Frau soll nicht mehr berücksichtigt werden für Wahl des Geburtsortes

Ausschlusskriterien gibt es bei den Geburtshäusern seit 2007 in einem Vertrag, der mit den Hebammenverbänden entwickelt wurde. Die dort festgelegten Ausschlusskriterien sind jedoch bisher nicht wissenschaftlich bewiesen, d.h. nicht evidenzbasiert – das ist Konsens. Deshalb enthält der Vertrag für die Geburtshäuser den wichtigen Zusatz, dass diese Ausschlusskriterien nur in Kombination mit der Entscheidung der Frau nach einem Beratungsgespräch mit einer Hebamme gelten. Das bedeutet, dass die partizipative Entscheidungsfindung der Frau mit der Hebamme im Vordergrund steht. Der Wille der Frau gilt. Dieses Recht auf eine selbständige Entscheidung und die Möglichkeit einer informierten Entscheidungsfindung der Frau soll nach Meinung des GKV-Spitzenverbands nicht Vertragsbestandteil bei den Hausgeburten sein – genau das ist der Unterschied zu den bestehenden Regelungen für Geburtshäuser. Und genau dagegen stellen wir uns.

Wir fordern vom GKV-Spitzenverband in den aktuellen Vertragsverhandlungen auf, denselben Umgang mit den Kriterien für die Hausgeburt wie für die Geburt in einem Geburtshaus anzuerkennen. Dies bezieht den Willen der Frau mit ein. Es geht uns darum, dass weiterhin die Frau das letzte Wort hat bei der Entscheidung, wo sie ihr Kind zur Welt bringen möchte. Auch die Kostenerstattung soll bei einer Hausgeburt genauso geregelt sein wie bei der Geburt im Geburtshaus. Dies soll gültig sein, bis die Ausschlusskriterien mit internationalen Studien verglichen sind und angepasst werden können. Auch wenn evidenzbasierte Kriterien vorliegen, sollte jedoch immer der Wille der Frau einbezogen werden.

 

Hebammen arbeiten nachweisbar in hoher Qualität

Die Debatte um Qualität in der Hebammenarbeit ist eine Scheindebatte. Hebammen arbeiten qualitativ hochwertig, belegt beispielsweise durch die anhaltend geringen Schadenszahlen. Ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001:2008 wurde vom Deutschen Hebammenverband bereits 2012 allen freiberuflich tätigen Mitgliedern zur Verfügung gestellt.

Von den Krankenkassen und dem GKV-Spitzenverband wird behauptet, dass es ein Sicherheitsrisiko für das ungeborene Kind und die Mutter gibt und deshalb ihr Wunsch nach einer Hausgeburt enden soll. Für diese Aussage fehlen aber die Belege. Es fehlt bislang eine vollständige Datenerfassung in Deutschland. Diese soll durch den neuen Vertrag gewährleistet werden und damit wird erst zukünftig eine entsprechende zuverlässige Aussage möglich sein.

Auch dass ein vermeintlicher Schutz des ungeborenen Kindes in den Vordergrund gerückt wird, entspricht nicht geltender Rechtsprechung. Nach unserer Auffassung wird zudem keine Mutter und auch kein Elternpaar eine Entscheidung treffen, die ihrem Kind schadet, wenn vorab eine gute Aufklärung erfolgt ist.

Schon gewusst? Bei jeder Geburt ist eine Hebamme dabei. Unterstützen Sie uns, damit das auch in Zukunft so bleibt! Wir brauchen unsere Hebammen.

Mehr Informationen: www.unsere-hebammen.de oder www.facebook.com/deutscher.hebammenverband