In letzter Zeit häufen sich in den Medien Berichte, die zwei Kaiserschnitt-Folgen als Pro-Contra einander gegenüberstellen: mehr Fehlgeburten – weniger Inkontinenz. Grundlage für die vermehrten Nachrichten ist eine aktuelle Studie des Royal Infirmary of Edinburgh über die körperlichen Langzeitfolgen von Kaiserschnitten.
Ein Statement von Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg
„Ausgerechnet die Inkontinenz sollte nicht als Vorteil des Kaiserschnitts von der Presse hervorgehoben werden, denn schließlich sind die gefährlichen (Langzeit-)Folgen viel einschneidender.
Die Edinburgher Studie halten wir nicht für falsch, das möchte ich von vornherein klarstellen. Aber wie alle Studien, so ist auch sie interpretierbar. Und durch die Medien spukt jetzt vermehrt eine Polarisierung, die die weit verbreitete Angst vor Inkontinenz nutzt, um dem Kaiserschnitt etwas Positives abzugewinnen – auf Grundlage einer wissenschaftlichen Studie.
Als Hebamme und Hebammenvertreterin möchte und muss ich diesem Interpretationsspielraum fachliches Wissen und den umfangreichen Erfahrungsschatz vieler Generationen von Hebammen entgegensetzen:
Inkontinenz heute kein Thema mehr
Inkontinenz als Folge der vaginalen („natürlichen“) Geburt ist HEUTE! kein Thema mehr, das wird bei dergleichen Interpretationen nicht berücksichtigt.
Früher haben Frauen noch lange in der Schwangerschaft körperliche Schwerstarbeit geleistet, sind viel gestanden (daher übrigens auch die offenen Beine, die heute kaum eine Frau in unseren Breitengraden mehr kennt), haben einmal im Jahr geboren, zehn Geburten waren keine Seltenheit. Ein schlaffer Beckenboden – die Ursache für Inkontinenz – war vorprogrammiert.
Heute sind wir Frauen allein schon durch mehr sportliche Freizeitgestaltung mit mehr körperlicher Spannkraft ausgestattet. Und unser beruflicher Alltag hat nichts von der Härte der früheren Jahrhunderte. Auf die Geburt selbst wird unser Beckenboden durch Gymnastik gut vorbereitet, durch Rückbildung wird er wieder trainiert.
Bei genetischer Disposition zur Bindegewebsschwäche, die oft als zusätzliches Argument gebracht wird, spielt es keine Rolle, ob vaginal oder mit Kaiserschnitt entbunden wird. Da muss man ohnehin den Beckenboden trainieren, um einer möglichen Inkontinenz im Alter vorzubeugen – was übrigens auch für Männer gilt.
Hebammen sind Fürsprecherinnen des Kindes
Ungeachtet der Argumentation möchten wir als Hebammen darauf hinweisen, dass der Kaiserschnitt medizinisch nur bei ca. 15 Prozent indiziert ist, dennoch kommen in Deutschland mittlerweile rund ein Drittel aller Kinder mit dieser Operation zur Welt. Das heißt, die meisten müssen nicht aus gesundheitlichen Gründen vorgenommen werden. Mit Rücksicht auf die Ängste und Nöte der Frau wird er die Operation gerne als Lösung präsentiert. Aber das Kind gerät bei diesen Überlegungen viel zu oft in den Hintergrund. Und wir Hebammen sind nun mal auch die Fürsprecherinnen des Kindes. Daher ist uns daran gelegen, die Frauen besser aufzuklären, ihnen ihre verständlichen Ängste zu nehmen als sie durch ein selten mögliches Gefahrenszenario und dessen Ausweg Kaiserschnitt zu bestätigen.“