Der Equal Pay Day fällt heuer auf den 18. März. Die gute Nachricht: die Phase, die Frauen ab Jahresbeginn im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen umsonst arbeiten, wird vermeintlich* kürzer. Die schlechte: ungeachtet der immer noch immensen Ungleichheit hängt an der schlechten Bezahlung eine Kaskade von Problemen.

Altersarmut vorprogrammiert
Eines davon ist die Altersarmut, die in vielen typischen Frauenberufen vorprogrammiert ist. Der wohl typischste ist der Hebammenberuf. Und die Angst vor Altersarmut treibt besonders freiberufliche Hebammen schon lange um. Haben sie doch während ihres Erwerbslebens keinen finanziellen Spielraum, zu sparen.

meinung-platzhalter Die Kosten, die eine freiberufliche Hebamme allein für ihre Berufsausübung aufbringen muss, liegen bei fast 30 Tsd. Euro im Jahr. Pflicht-Versicherungen für Rente, Krankheit und Berufshaftung machen fast 20 Tsd. Euro aus. Hinzu kommen Kosten für Praxis, Kfz und Fortbildungspflicht. Monatlich muss sie also alleine dafür etwa 2.500 Euro aufbringen, für ihren privaten Unterhalt hat sie damit noch nichts.

Ihr Stunden-Nettohonorar liegt unter 10 Euro. Private Vorsorge? Völlig ausgeschlossen.

Gesetzliche Absicherung unzulänglich
Rechtsanwalt Armin Octavian Hirschmüller, der viele Hebammen unter seinen Klientinnen hat, kennt das nur zu gut. „In den letzten Jahren häufen sich bei uns die Anrufe besorgter Hebammen, die eigentlich während ihres gesamten Berufslebens von Existenzangst begleitet sind.“ Und am Schluss kommt dann die drohende Altersarmut. „Wenn ein Partner geht oder verstirbt, was ja keine Seltenheit ist, besteht für die Hebamme, vor allem die alleinerziehende, kaum eine Möglichkeit, sich ausreichend auch für das Alter zu versorgen“, so berichtet Hirschmüller. „Die Rentenversicherung ist Pflicht, weil sie vor Altersarmut schützen soll. Aber sie reicht bei weitem nicht aus für eine angemessene Rente. Und mit ihrem geringen Einkommen können Hebammen keine zusätzliche private Vorsorge betreiben.“ Hirschmüller hebt dabei hervor: „Sie können oftmals gar nicht so viele Stunden verantwortungsvoll arbeiten, um neben Pflichtbeiträgen auch noch private Versicherungskosten zu stemmen.“

Katastrophal wird es, wenn eine Hebamme die Rentenpflicht versäumt hat, von der sie sich nicht befreien lassen darf. Bei Renteneintritt prüft die gesetzliche Rentenversicherung die Beiträge und fordert die Rückzahlung ein, samt Säumniszuschlägen für jeden fehlenden Beitragsmonat. Das vielleicht stattdessen mühevoll privat Angesparte ist weg. Im schlimmsten Fall türmen sich Schulden auf, die nicht mehr zu begleichen sind. Und obwohl dann natürlich die Rente ausbezahlt wird, reicht das nicht aus. Ein Verlauf, der nicht selten in der Sozialhilfe mündet.

Man muss nicht viel Phantasie aufbringen, um zu verstehen, dass immer weniger Frauen und schon gar keine Männer diesen Beruf ergreifen. Mit dem gesellschaftlich relevanten Ergebnis, dass immer weniger Schwangere eine Hebamme finden, die ihr gesetzlich jedoch zusteht. Ein Dilemma, das weitere dramatische Folgen nach sich zieht:

Drama Krankheitsausfall
„Auch bei uns häufen sich die sorgenvollen Anrufe von Kolleginnen“, so Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg. Hier geht es oft um Krankheitsausfälle. „Weil es immer weniger Hebammen gibt, fühlen sich die noch tätigen unter Druck, den Mangel auszugleichen. Viele arbeiten daher sprichwörtlich bis zum Umfallen! Krankheitsausfälle mehren sich, vor allem Schwersterkrankungen. Und damit Berufsausfall und folglich Einnahmestopp.“ Bei der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung mit normalem Beitragssatz gibt es natürlich keine Lohnfortzahlung. Also greift erst ab dem 43. Ausfalltag das gesetzliche Krankengeld von höchstens 70 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts. Doch bis dahin laufen all ihre Verpflichtungen weiter. „Eine private Verdienstausfallabsicherung für ein Krankengeld ab beispielsweise dem zehnten Ausfalltag kann sich keine freiberufliche Hebamme leisten, völlig ausgeschlossen“, so Eichenauer. Weder die beruflich bedingten finanziellen Verpflichtungen noch der eigene tägliche Unterhalt können erwirtschaftet werden. Eine längere Erkrankung ist existenzgefährdend.

Politik gefordert
„Es gibt aktuell keine Lösung“, so Hirschmüller. Eine freiberufliche Hebamme könne in vielen Fällen gerade nur das erwirtschaften, was gesetzlich gefordert wird und hat somit keine Mittel mehr, um zusätzlich private Vorsorge zu betreiben. Auch aus seiner Sicht könne nur die Politik für Abhilfe sorgen. „Eine Befreiung von der Pflicht unter entsprechenden Voraussetzungen wäre ja eine Möglichkeit, aber der Kern ist doch das Einkommen. Das muss unbedingt unter Berücksichtigung all dieser Bedingungen angepasst werden, dass eine ausreichende Altersvorsorge einer jeden freiberuflichen Hebamme möglich ist.“

* 2014 waren es 22 Prozent, 2015 wie 2016 und 2017 waren es 21 Prozent, die Frauen weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen. Diese statistische Verbesserung von 2014 auf 2015 ist auf die Einführung des Mindestlohns vor allem für kleine unterbezahlte Jobs zurückzuführen, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Mit Blick auf die Gesamtsituation also keine Verbesserung. Und die Hebammen betrifft es schon gar nicht.
Unsere Meinung zum Equal Payday 2015 und vor allem 2016. 2017 waren wir leider überlastet.

Equal Pay Day 2018: Hebammenverband setzt sich für gerechte Vergütung von Hebammen ein (DHV-Pressemitteilung, 15.03.2018)

Landesfrauenrat Baden-Württemberg zum Equal Pay Day 2018. Von Entgeltgleichheit keine Spur! (LFR-Pressemitteilung, 16.03.2018)

Beitrags-Foto: www.epd.de