Liebe Kolleginnen,

von Herzen möchte ich mich für Ihr Vertrauen bedanken, das Sie mir durch Ihre Wahl entgegenbringen – diese außergewöhnliche Wiederwahl.

Wir stehen derzeit sowohl als Gesellschaft im Ganzen aber auch besonders als Hebammen vor großen Umwälzungen. Die Gesundheits- und Pflegeberufe müssen endlich den Stellenwert bekommen, der ihnen zusteht, das ist nicht erst mit der Pandemie überdeutlich geworden.
Viele Anstrengungen haben wir in den letzten Jahren unternommen, viele Wege mühsam bereitet, wie zum Beispiel die Akademisierung (Umsetzung des Neuen Hebammengesetzes mit Studien- und Prüfungsverordnung auf Landesebene). Damit diese Wege hoffentlich bald beschritten werden, müssen wir weiter am Ball bleiben. Das erfordert viel Energie, Erfahrung und ein stabiles politisches Netzwerk.

Die Erkenntnis, dass ausgerechnet in so einer wichtigen Phase ein Amtswechsel mit enormem Kräfteaufwand verbunden wäre, hatte die Delegierten dazu bewogen, die Abstimmung über die dafür notwendige Sonderregelung einer dritten Amtszeit zu beantragen – und schließlich mehrheitlich anzunehmen. Für diese weiteren vier Jahre der Verantwortungsübernahme habe ich mich bereit erklärt. Nachdem ich mich gemäß den Regularien während der Tagung initiativ darauf beworben habe, wurde ich von den Delegierten gewählt. An dieser Stelle erneut meinen Dank.

Natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen, die bei jeder Wahl zum Ausdruck kommen, das ist Demokratie, aus meiner Sicht die beste Form des Zusammenlebens.
Ich wünsche mir, dass wir uns miteinander gegen die momentan so heftigen Stürme stemmen und die Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Wir haben alle die gleichen Anliegen, da bin ich sicher. Und ich setze alles daran, uns Hebammen und die Familien, die wir betreuen und begleiten, in diesem Sinn weiterhin zu vertreten.

Erlauben Sie mir abschließend einen kleinen Exkurs:
Walter Momper hatte nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister von Berlin 1989 seinen Senat neu besetzt – mit mehr Frauen als Männern. Spektakulär! Doch statt der Freude über die erstaunliche Frauenpower bekam er ordentlich Gegenwind, sogar von Frauen. Man beschuldigte ihn, sich damit nur einschmeicheln zu wollen. Ich erinnere mich, dass seine Begründung und souveräne Antwort auf die Anschuldigungen war: mit Frauen arbeite man einfach zielführender, als mit Männern. Ihnen gehe es offenbar mehr um die Sache, als um die Macht.

Liebe Kolleginnen, es wäre schön, wenn Sie meine neuerliche Amtsübernahme in diesem Sinn verstehen könnten: mir ging und geht es nicht um die Macht, dafür ist die Arbeit einfach zu anstrengend. Mir geht es um die Interessen von uns allen, als Hebammen und auch als Frauen. Dafür brenne ich nach wie vor und ich werde alles daransetzen, dass wir auf dem bereiteten Weg weiterkommen.

Ihre
Jutta Eichenauer