Natürlich sind das Einzelfälle, aber immer öfter hört man von Frauen, die auf der Suche nach einem Entbindungsplatz abgewiesen werden. Belegbare Zahlen gibt es nicht. Allerdings gibt es diese zu den massiv zunehmenden Kreißsaal-Schließungen – und die können ja nicht ohne Folgen bleiben.
Babys warten nicht, bis ein Platz gefunden wurde. Die Fahrt zur weiter entfernten Klinik muss daher oft mit überhöhter Geschwindigkeit gemacht werden, ob im Privatwagen, im Taxi oder im Krankenwagen. Zu allen Versionen gibt es entsprechende Beispiele, manch ein Kind kam deswegen schon unterwegs zur Welt. Ist das die Vorstellung eines hochentwickelten Industrie- und Sozialstaates von sicherer Geburt?
Das Problem des Hebammenmangels und der Kreißsaal-Schließungen hat Lisa Welzhofer* in die individuelle Geschichte von Linda Illner und ihrem Mann eingebettet. Das Paar aus der Region Stuttgart hatte geplant, wo ihr erstes Kind zur Welt kommen sollte. Nach genauen Überlegungen hatten sie sich für eine Wunschklinik in Stuttgart entschieden – mussten aber dann bis nach Esslingen: als die Wehen einsetzten, klapperten sie alle Stuttgarter Geburtskliniken ab: alle Kreissäle waren voll. Auf der rasanten weiterfahrt wurden sie geblitzt. Was skurril und lustig klingt, bedeutet für die Betroffenen in der Realität Panik und Angst.
Problem Nachsorge
Grünen-Staatssekretärin Bärbl Mielich betont, dass es sich dabei um Einzelfälle handle, man müsse keine Angst haben, einen Platz zum Gebären zu finden: „98 Prozent aller Geburten finden in Kliniken statt. Das ist weiterhin gesichert, auch wenn es bisweilen regionale Engpässe gibt.“*
Die Sozial-Politikerinnen setzt sich seit Jahren für die Verbesserung in der Geburtshilfe und für die Hebammen ein. Ihr Engagement führte schließlich auch zur Durchsetzung des sogenannten Runden Tischs (wir berichteten mehrfach).
Sie sieht das Problem weniger in der Geburt selber, als in der wichtigen Nachsorge: Die Betreuung von Mutter und Kind durch die Hebamme in den ersten Wochen nach der Geburt sei wegen des Hebammenmangels schwieriger geworden. Kinderärzte beobachten vermehrt, wie mangelhafte Nachsorge zu Folgeproblemen bei den Kleinkindern führt.
Der Hebammenmangel hat mehrere Ursachen: schlechte Vergütung für einen Beruf mit hoher Verantwortung, nicht regelbare Arbeitszeiten, wachsende bürokratische Zusatzaufgaben und nicht zuletzt fehlende Anerkennung. Hinzu kommen die Überlastung durch die Engpässe in Kreissälen, die der Sparpolitik geschuldet sind.
Diese Problematik will Mielich anpacken, daher sitzen am Runden Tisch die Politiker mit Vertretern des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen, Ärzten, Hebammen und Eltern zusammen. Sie sollen gemeinsam einen Weg aus diesem Notstand finden, der sich spiralartig immer weiter verschlechtert.
Gute Nachricht zum Schluss: wer auf der Fahrt zur Entbindung geblitzt wurde, kann den Strafbescheid an die Krankenkasse weiterleiten. Den zahlt sie.
* Stuttgarter Zeitung, 11./12.03.2017.
Beitragsbild: www.autobild.de (21.12.2012)